MiniBZ – Die Bozner Kinderstadt (Konzept)

Die Kinderstadt stellt eine echte Miniaturstadt dar: die Kinder finden eine Inszenierung vor, die die wichtigsten Bereiche einer modernen Stadt reproduziert. Diese Inszenierung dient als Spielund Erfahrungsraum für die Kinder. Die Besonderheit der Kinderstadt ist ihr Ernstcharakter, eine ernste Sache, wie für die Erwachsenen das Arbeiten, obwohl es ein Spiel bleibt.
Die Erwachsenenwelt versucht immer mehr, die Kinder in eine Scheinwelt ohne Bezüge zur Wirklichkeit abzusondern. Die Erkenntnisse der Kinder werden immer mehr ver-mittelt (Eltern, Lehrer, Bücher, Fernseher, usw.), kommen immer weniger vom Handeln und immer mehr vom Zu-hören oder Zu-schauen.

Gegen diese Medialisierung der Kinderwelt setzt sich die Kinderstadt ein. Durch eine so viel wie möglich wirklichkeitsnahe und spielerische Um-welt soll den Kindern die Möglichkeit geboten werden, einige Grundbegriffe für ihr heutiges und zukünftiges Leben praktisch, konkret zu erkennen, zu erfahren, zu erlernen, nämlich:

- daß man sich an den Spielregeln halten soll, ohne sich aber von den Neuerungen überraschen zu lassen;
- daß Spielregeln und Abläufe (im Spiel und in der Wirklichkeit) zur systematischen Starrheit tendieren, daß es aber in jedem Moment möglich ist, diese zu ändern;
- ob und wie man auf die Wirklichkeit (im Spiel aber auch im Leben) einwirken kann;
- wie ökonomische Klein- oder Großsysteme funktionieren;
- daß alle Spiel- und Lebensbereiche vernetzt und verbunden sind: alle sind und alles ist von allen und vom Ganzen abhängig;

Jedes Kind kann in der Kinderstadt selbst bestimmen, inwieweit und wie lange es sich ins Spiel einlassen möchte, d.h. jedes Kind kann auch nach Belieben kommen und gehen. Die Betreuer haben in dieser Hinsicht eine beschränkte Aufsichtspflicht. 
Die Kinderstadt soll keine perfekte Wiedergabe der Wirklichkeit sein: es geht vielmehr darum, Funktionen und Zusammenhänge so darzustellen, daß sich für die Kinder Handlungs- und Spielräume ergeben. Andererseits geht’s auch nicht darum, den Kindern eine halbwegs "heile" Welt zu bieten: Themen wie Geld-Arbeit-Leistung oder Polizei-Gericht o.ä. mit denen die Kinder tagtäglich konfrontiert sind, sollen nicht einfach gestrichen werden. Die Kinderstadt soll aber auch ein Raum für Experimente und der Utopie sein. Im Spiel selbst stecken aber die meisten Möglichkeiten: das Spiel als Simulation, die Kinderstadt als "geschützte" Werkstatt für Experimente mit der Verändbarkeit der Welt.

Die Kinderstadt selbst kann sich dadurch zum Mittelpunkt der städtischen Kinderöffentlichkeit etablieren: als Ausgangspunkt für Fragestellungen und Wünsche an die Erwachsenenwelt, als Ort wo das Recht der Kinder auf Mitsprache und Mitbestimmung zur Diskussion steht. Dabei sollte man aber nicht vergessen, daß die Kinderstadt ein Spiel bleibt aber ein ernstes Spiel, wie es die Kinder sonst alleine spielen, wenn sie Zeit, Raum und Zeug dafür haben. Konkret verläuft das Spiel folgendermaßen: die Kinderstadt wird von den Erwachsenen vor Spielbeginn aufgebaut. Beim Eintreffen werden die Kinder beim Meldeamt der Kinderstadt eingetragen und bekommen dort ihren Ausweis, der zugleich Arbeits- und Studiumsbuch ist, und die Spielregeln, den Stadtplan und andere Informationen beinhaltet. 

Die zweite Station ist das Arbeitsamt: dort kann man die gewünschte (bzw. die vorhandene!) Arbeit wählen. Und dann geht es an die Arbeit! Der Lohn ist für alle gleich: fünf Geldeinheiten (in Bozen G{h}elli) in der Stunde; davon geht ein G{h}ello weg für Steuern. Nach einer gewissen Anzahl von Arbeitsstunden, die im Ausweis eingetragen werden (in Bozen 8) wird man Vollbürger: dadurch bekommt man die politischen Rechte. Man kann wählen und gewählt werden (es gibt Assessoren und Bürgermeister). Natürlich kann man auch spazieren gehen, sich umschauen, nichts machen, mit Kollegen ratschen, usw. Die Betreuer haben eine zweifache Funktion: einerseits sind sie die Garanten für den gesamten Spielverlauf, sie tragen die Verantwortung; andererseits sind sie Beobachter, Spielberater, Spielpartner. Ihr Ziel ist es, soweit wie möglich diese Verantwortung an die Kinder zu übertragen.

Die Kinderstadt hat viele verschiedene Bereiche, die intern nochmals gegliedert sind und viele verschiedene Betätigungen (Berufe) anbieten. Hier eine Auswahl davon:

1. VERWALTUNG
Rathaus, Arbeitsamt, Bank, Meldeamt

2. DIENSTLEISTUNGEN 
Taxi, Müllabfuhr und Kehrdienst, Druckerei, Post, Krankenhaus


3. VERPFLEGUNG
Restaurant, Bar/Kneipe, Delikatessen & Spezialitäten 

4. PRODUKTION 
Mechanik, Schneiderei, Spielfahrzeuge, Blumen, Keramik, Bauhof, Schmuck, Spielzeug, Werbung

5. AUS- u. FORT-BILDUNG 
Kurse, Referate, Bildende Künste , Theater/Kino, Forschung/Museen 

6. FREIZEIT / KULTUR SPORT
Schwimmbad, Kino, Theater, Turnhalle, Reisen

7. INFORMATION
Fernsehanstalt, Radiosender, Tageszeitung

Die Größe der Kinderstadt hängt von der Anzahl der Betreuer, von den potentiellen Besuchern (die ganze Stadt, ein Stadtviertel, eine Schule) ab. Die Spielregeln und die allgemeine Information sollten vor Spielbeginn schon bekannt gegeben werden. Es ist ungemein wichtig, daß die Teilnahmebedingungen von vornherein geklärt werden, z.B. um zu vermeiden, daß die Eltern sich eine schulische Aufsicht womöglich mit Schulmensa erwarten: das Bozner Kinderstadtrestaurant kann zwar bis zu 200 warme Gerichte täglich servieren, bleibt aber an sich ein Spielbereich wie jeder andere Bereich in der Kinderstadt. Die Kinder, die den ganzen Tag in der Kinderstadt bleiben, sollten sicherheitshalber das Essen also von daheim mitnehmen.
Hier geben wir die Bozner Spielregeln 1993 bekannt, die ähnlich sind wie die Regeln von Mini-München:

SPIELREGELN DER BOZNER KINDERSTADT
1. Die KINDERSTADT dauert vom __ bis zum __ Juni ____, täglich von 11.00-18.00 Uhr. Sie findet in ___

2. Alle Kinder und Jugendlichen können teilnehmen. Mitmachen kostet €.. __ pro Tag. Das Abonnement für 10 Tage kostet €.. __. Eltern, Tanten, Oma und Opas sind entweder Gäste
oder zeitweilige Mitarbeiter. Wir bitten sie, sich nicht allzusehr ins Spiel einzumischen, bzw.
ihre Kinder durchs Spiel zu führen. Sie können sich für Auskünfte dem "Elternamt" wenden (Gemeindehaus).

3. In der KINDERSTADT, eine Stadt der und für Kinder, geht’s wie in einer richtigen Stadt zu.
Vieles kann man hier aber ANDERS und BESSER machen!!

4. Wer zum ersten Mal in die Stadt kommt, soll zum START gehen: dort bekommt man das MITSPIELHEFT und wird man zum Bürgerkandidat/in. Bei der BANK kann man sich ein
STARTGELD abholen: die Währung in der KINDERSTADT __ heißt EURO-G(H)ELLO. 

5. Die nächste Station ist das ARBEITSAMT: dort kann man einen Beruf wählen (Arbeitskarte), solange Vorrat reicht. Die Arbeit soll mindestens eine Stunde, besser länger dauern. Wenn die Arbeit fertig ist, bekommt man einen LOHNZETTEL. Wenn man den Lohnzettel und die Arbeitskarte bei der Bank abgibt, bekommt man den eigenen Lohn. Gleicher Lohn für alle: 5G(H)ELLI netto für eine Stunde Arbeit.

6. Man kann auch ein eigenes Geschäft eröffnen. Frag mal beim Rathaus.

7. Die G(H)ELLI kann man in der Stadt für Einkäufe, zum Taxifahren oder zum Essen ausgeben.

8. Wer 8 Arbeitsstunden hinter sich hat, kann Vollbürger werden:
melde dich beim MELDEAMT. Du bekommst ein Abzeichen.

9. VOLLBÜRGER können wählen und gewählt werden, d.h. dann mitentscheiden über Gesetze und Steuerausgaben, VERTRAUENSARBEITEN annehmen (Grüne Karte). Letzteres aber
erst wenn sie die Sprachprüfung bestanden haben. 

10. Es werden gewählt: BÜRGERMEISTER/IN und ASSESSOREN/INNEN; und das am __ , ab __ Uhr.

11. In der KINDERSTADT soll es keine Schlägereien, Betrügereien, Diebstähle usw. geben. Und noch was Wichtiges: Sauberkeit! Verstöße gegen die KINDERSTADT-GESETZE kommen
vor das STADTGERICHT, täglich um __ Uhr.

12. ACHTUNG: bei der INFO-Stelle täglich das Veranstaltungsprogramm und sonst auf die Ankündigungen aufpassen!

13. Die KINDERSTADT ist vor allem für Kinder von 7-14 Jahren.


Es ist ungemein wichtig die Bezüge der Kinderstadt zur „wirklichen“ Stadt ständig zu pflegen:
Schirmherrschaft durch den Bürgermeister, Sitzungen im Rathaussaal, Zusammenarbeit mit den lokalen Presseredaktionen, suche nach öffentlichen und privaten Beiträgen.